Verwundert rieb ich mir die Ohren und dachte zunächst an einen Karnevalsscherz: Das Radio vermeldete gerade, der Papst würde zurücktreten. Der Papst tritt zurück, das kann doch nicht sein, war mein erster Gedanke.
Mein zweiter Gedanke richtete sich aber darauf, was ich für das Papsttum insgesamt und für diesen Papst Benedikt XVI. im Speziellen empfinde.
Als ehemaliger Katholik hat mich dieses bunte Kirchen-Brimborium mit Brokat-Fummel, Weihrauch, Zeremonien und Engels-Chören und diesem ganzen Firlefanz in meiner Jugend nicht unberührt gelassen.
Spätestens aber, als ich als schwuler Mann feststellen musste, was die Katholische Kirche über Menschen wie mich sagt, war ich raus. Ich bin ausgetreten. Ich bin jetzt, amtlich gesehen, ein Heide. Ich würde mir heute am liebsten das Taufwasser, was man als Säugling über meinen Kopf gegossen hat, mit Atta abscheuern, wenn ich es könnte. Ich würde damit gleichzeitig gerne die seelischen Schäden ausradieren, die Papst, Priester und Religionslehrerinnen bei mir hinterlassen haben, die mir von Anfang an das Gefühl eingepflanzt haben, mit meiner Art zu begehren, zu lieben stimmt etwas nicht, mit mir stimme etwas nicht. Oh, Gott, ich wollte nicht schwul sein, ich wollte nicht ausgestoßen sein, ich wollte nicht in die Hölle müssen. Ja, das sagen anerkannte Christen über Schwule und über Lesben.
So, und nun maße ich mir als Nicht-Katholik an, den Papst-Hype der letzten Tage kritisch zu bewerten.
„Wir sind Papst“ titelte die BILD-Zeitung im Jahre 2005, als Ratzinger auf den Balkon des Petersdomes trat. Nach soundsoviel hundert Jahren wieder ein Deutscher als Papst. Jauchzen – Frohlocken – neudeutscher Nationalismus mit katholischem Anstrich?
Dabei war doch klar, welche Thesen Josef Ratzinger als Vorsitzenden der Inquisition vertreten hat. Hieß der Jubel anlässlich seiner Wahl zum Papst damals, dass man damit einverstanden war? Dass man sich auf die ideologische Richtung, die Ratzinger der Kirche nun geben würde, gar freuen würde?
Ratzinger war über 23 Jahre Präfekt der Glaubenskongregation, der Nachfolgeorganisation der Inquisition. Als solcher hat er wesentlich unter Johannes Paul II zum erzreaktionären Kurs der Katholischen Kirche beigetragen. Als solcher war er folglich mitverantwortlich für den Hass, den die Katholische Kirche gegen Schwule und Lesben sät. Er hat für die innerkirchliche Verfolgung von schwulen Priestern gesorgt, er hat sie ihrer Ämter enthoben und aus ihren Gemeinden entfernen lassen. Er hat sich gegen die Gleichstellung der Frauen in der Kirche gewandt; Priester dürfen weiterhin nur Männer sein, die Frauen dürfen den Altar allenfalls putzen.
Gut, es wird behauptet, Ratzinger habe auch versucht Brücken zu schlagen – zu den Juden und den Moslems – bei allen Pannen, die seinen Redemanuskripten auch entschlüpft sein mögen. Nun, Ralf König hat es in einer Zeichnung ganz deutlich gemacht: Bei allem fundamentalen Hass zwischen den Religionen, zwischen Christentum, Juden und Moslems, in einem sind sie sich einig: In ihrer noch größeren Verachtung von Schwulen und Lesben.
Als Papst hat Ratzinger in seiner Enzyklika „Deus Caritas Est“ – zu deutsch „Gott ist Liebe“ – sich mit der zentralen Botschaft des Christentums auseinandersetzen wollen. Eine Enzyklika ist ein päpstliches Lehrschreiben, in dem er die kirchliche Meinung zu verschiedenen Fragen festlegt. Wie anmaßend ist es doch, dass dieser Papst das Wesen der Liebe beschreiben will und in gewissen Sinne verbindlich für alle Katholiken auslegt.
Dieser Papst, dieser Ratzinger, der von vorne bis hinten die schwulen und die lesbischen Liebenden durch Lehre und Tat zu verachten scheint, schreibt von Liebe. Wie absurd ist das denn?
Dieser Papst ist mitverantwortlich für die Verfolgung von Schwulen und Lesben in Ländern mit katholischer Mehrheit.
Dieser Papst, dessen Kirche in Ländern, die die Homo-Ehe einführen wollen, einen verbitterten Kreuzzug gegen die Regierungen führen lässt, der die Kirchgänger aufhetzt, der seine Pfaffen von den Kanzeln herab predigen lässt, gegen schwule und lesbische Liebe zu kämpfen.
Dieser Papst und sein Staat, der Vatikan, setzeb sich in internationalen Gremien dafür ein, dass die Diskriminierung von Homosexuellen nicht verboten werden darf – und er duldet damit sogar auch die Todesstrafe für Homosexualität, wie sie in einigen Ländern noch praktiziert wird.
Dieser Mensch maßt sich nun an, von Liebe zu sprechen? Ich muss gleich kotzen.
Nein, für diesen Papst und für seine Kirche habe ich meinerseits nur Verachtung übrig. Und für diese rückwärts gewandte Katholische Kirche, von denen mehrere führende Mitglieder mich wegen meiner Liebe zu meinem Mann auf dem Scheiterhaufen verbrennen sehen wollen.
Benedikt XVI. ist also zurückgetreten. Der Mann, von dem David Berger mehr oder weniger offen vermutet, dass er selber versteckt schwul sei. Von dem die Theologin Uta Ranke-Heinemann schwärmt, er wäre in ihren gemeinsamen Studienzeiten so schön asexuell gewesen, so dass sie keinerlei Übergriffe von ihm zu befürchten habe.
Dieser Papst war Chef des Vatikanstaates, des letzten absolutistischen Staates auf der Erde. Päpste nehmen für sich in Anspruch, die Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein. Dieser Papst hätte also alle Macht gehabt, diese Welt zum Besseren zu wenden. Dieser Papst hätte die Macht gehabt, die Liebe in einem tatsächlich christlichen Sinne zu interpretieren. Aber in der Art, wie er es dann am Ende, war dieser Papst ein weiterer Anti-Christ auf dem römischen Thron.
Wenn man aber die derzeitigen Huldigungen anlässlich seines Rücktrittes betrachtet, weiß ich nicht, ob ich darüber erschrocken oder verwirrt sein soll. Da werden heulende Christinnen in die Kamera gehalten, die voller Inbrunst behaupten, was für ein toller Papst Ratzinger doch gewesen sei. Schlimmer noch zeigt es sich im Gedenk- oder Dankgottestdienst in der Berliner Hedwigs-Kathedrale, wo die versammelten führenden Köpfe der Deutschen Politik, Seehofer, Merkel, Rösler, aber auch jene aus der Opposition durch ihre Anwesenheit von ihrer Hochachtung gegenüber PappaRatzi künden?
Ich wünsche mir etwas für die Zukunft. Nein, ganz gewiss nichts erhoffe ich mir vom neuen Papst, denn Johannes Paul II und Benedikt XVI haben durch die Ernennung von Kardinälen schon dafür gesorgt, dass der Katholische Haufen weiterhin ein Frauen-, Schwulen-, Lesben-verachtender Laden bleibt, und das wohl noch für die nächsten Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte.
Ich habe keine Hoffnung darauf, dass diese – wie es Uta Ranke-Heinemann so treffend ausdrückte – „Eunuchen für das Himmelreich“ auf einmal vom göttlichen Blitz getroffen werden und vom heiligen Geist erfüllt werden. Ich glaube nicht daran, dass diese Männer mit ihren verdorrten Dödeln und Herzen irgendwann von Liebe erfüllt werden. Ich erwarte nicht, dass sich diese Anti-Christen auf einmal zur Lehre Jesu Christi bekehren lassen. Sollen sie sich doch auch weiter in ihrem Fummel für Auserwählte halte, für von Gott geküsst. Für mich haben die doch alle einen Dachschaden! Die müssten alle mal in eine Therapie, um ihre unterdrückten Gelüste zu akzeptieren, um ihre Notgeilheit mal rauszulassen um die wahre Sehnsucht nach Liebe in sich zu entdecken; wer weiß, welche Abgründe sich da auftun würden … oder Chancen.
Nein, ich wünsche mir, dass man irgendwann auf die heutige Zeit zurückblickt, und dass sich dann die Katholische Kirche einfach nur schämt!
Und dann sollen auch diese Leute, die den Papst angebetet haben, ihm gedankt haben, ihm gehuldigt haben, ihm gefolgt sind, nur noch von Pein erfüllt sein.
Ja, sie sollten sich alle mal ordentlich schämen!