2011 – das war’s dann wohl

Schade sagen nun diejenigen, die das Ticken der Lebensuhr wie einen Tinnitus im Hirn wahrnehmen und die angesichts der verrinnenden Lebenszeit und zunehmenden Falten Panik bekommen. Torschlusspanik? Oder eher Panik, dass die Lustpforte frühzeitig ausleiert.

Endlich sagen jene, die sich vielleicht auf zum Jahresende gar nicht mehr so dicken Aktienpaketen ausruhen, deren Erträge in 20122  nicht gut genug waren, um sich drei neue RayBan-Brillen und vier Alessi-Schlüpfer pro Woche kaufen zu können, um für den nächsten Urlaub auf Mykonos gestyled zu sein.

Mykonos liegt ja bekanntlich in Griechenland, und vielleicht ist das für einige auch die einzige Erinnerung, die an 2011 bleibt, angesichts der aufziehenden Gefahren im künftigen Drachmenland.

2011, und Wolfgang Schäuble – Achtung: Böse – sitzt die steuerliche Gleichbehandlung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften weiter aus. Währenddessen wuchs sogar bei der SPD die Erkenntnis, dass man doch gleich die heilige Ehe für Männlein-Männlein und Weibchen-Weibchen öffnen könne – wenn man erst an der Macht wäre. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

2011, das Jahr, in dem Guido Westerwelle, der so gar nicht UNSER Guido werden wollte, abtritt in die Unwichtigkeit des diplomatischen Außenamtes, um Platz zu schaffen für eine liberale Boygroup namens Rösler, Lindner, Bahr – für die ein oder andere Schwuppe vielleicht sogar wählbar, weil sie äußerlich so viel attraktiver ist, als die Herren Gabriel, Steinbrück oder Merkel. Und die sind ja auch so liberal. Hallo: Aufgewacht! Liberal wird leider nicht mit IE geschrieben! Aber schluss jetzt bitte – bloß nicht politisch werden! Ist der CSD doch schließlich auch nicht mehr.

CSD, nächstes Stichwort für 2011, das Jahr, in dem die Münchener Lesbetten verärgert wahrnehmen müssen, dass der „Christina-Street-Day“ zwar gleichberechtigend wirken soll, historisch jedoch etwas Banane ist – ups, Banane = Phallus-Symbol – geht in diesem Zusammenhang wohl gar nicht.

Seit 2011 kann man als Schwuler oder als Lesbe ohne Rauswurfgefahr auf seinem Lieblings-Flugzeugträger rumknutschen, weil endlich diese blöde „Don’t Ask – Don’t Tell“-Regelung für die US-Army abgeschafft worden ist. Warum sollten Homos nicht auch gutes Kanonenfutter abgeben – ob deren vergossenen Blut dann wohl rosa ist?

2011, und die blauen Seiten – auch genannt: Das Schwule Einwohnermeldeamt – namens GayRomeo schraubt weiter an seiner SmartPhone-Application rum, damit man unterwegs einen schnellen Fick in seiner Umgebung finden kann, selektiert nach Haarfarbe, Behaarung, Musikgeschmack und natürlich Schwanzgröße. Da könnte man sich doch auch gleich sein iPhone einführen und auf Vibrationsalarm stellen.

2011. Schließen wir es ab, kleben wir es in unser digitales Fotoalbum, laden wir es in unsere Timeline bei Facebook hoch, virtualisieren wir es wie unser halbes Leben – ach ja, die andere Hälfte ist ja auch schon vorbei.

2011. Eigentlich nur eine Zahl. Eine Zahl in einer Welt, in der das Leben mehr und mehr nach Zahlen bemessen wird. Einkommen, Bruttosozialprodukt, Zinssatz und Rendite, Staatsverschuldung, Wohlstand, CO2-Ausstoß, Benzinkosten, Lebenserwartung. Alles nur Zahlen, alles nur Statistik und Mathematik.

Schmeißen wir doch für die Zukunft mal alle Zahlen weg, packen wir sie in ein Kästchen und vergraben sie im Garten. Horchen wir doch mal in uns hinein und lauschen, wie das Leben klingt. Hören wir mal in unsere Umwelt und nehmen war, welches die wirklichen Bedürfnisse sind, von uns selbst, von unseren Mitmenschen, von unserem Planeten. Heute ist der Tag, an dem unsere Zukunft zur Vergangenheit wird. Machen wir doch mal was draus.