Das Korallenhaus

von Anna Levin

Flache Story, schnarchlangweilig, hat mit der echten Insel La Palma nichts zu tun

Die meisten Rezensionen, die ich bei Amazon lese, müssen Fake sein! Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Rezensentinnen jemals auf La Isla Bonita waren, und sogar bei der Autorin habe ich große Zweifel. Das einzige, was korrekt wiedergegeben wurde, war die Schreibweise der einzelnen Ortschaften; schon bei der Lage zueinander (Himmelsrichtungen) oder bei den Entfernungsangaben gibt es gravierende Fehler. Das Umfeld passt vorne und hinten nicht, und bestimmte geografische Eigenheiten der echten Insel La Palma sind schlicht unschlüssig zu den Handlungen, die man dort angeblich ausführt, oder zu den Aussichten, die man dort angeblich haben soll.

Vielleicht war Frau Levin mal mit der AIDA auf Tagesausflug auf La Palma, und vielleicht hat sie mal in einem Restaurant mal auf eine Tisch-Set-Landkarte von La Palma geblickt. Aber die wahrlich herausragenden Fakten, die jeder La-Palma-Kenner an einer Hand aufzählen könnte, fehlen in diesem Buch oder sind schlicht falsch dargestellt. Jeder Reiseführer belegt, dass die Fakten nicht stimmen.

Beispiele:
Seite 27: Nina fährt in Tazacorte los, um eine Wohnung zu suchen.
>>Nach einer Weile lenkte sie das Fahrzeug daher aus dem Fischerort hinaus und folgte einer geschwungenen kurvenreichen Straße. Zu ihrer Rechten entdeckte sie meterhohe Bananenpflanzen, zu ihren Füßen erstreckte sich das malerische Aridanetal. Die Stadt Los Llanos breitete sich wie ein heller Teppich unter ihr aus, gesäumt von einem Kratergrund der Caldera.<<
Wenn ich aus Tazacorte komme, liegen weder das Aridanetal noch Los Llanos unter mir.

Seite 32:
>> Unterhalb des Hauses wiegten sich Bananenpflanzen im aufbrausenden Wind, und zu ihrer Rechten entdeckte sie einen kargen, zerklüfteten Krater. „Ein Ausläufer des Caldera de Taburiente, unseres Nationalparks“, erklärte er.<<
Ich glaube, Frau Levin hat DIE Caldera nicht einmal gesehen.

Seite 41:
>> …denn das Auto fand… wie von selbst die Route die Serpentinen hinauf bis zum Hügel, der El Time genannt wurde.<<
Klar, „Hügel El Time“. Passt ja, vor allem weil die Protagonistin später als höhenängstlich beschrieben wird. Einfach mal ein Foto von „Mirador El Time“ googlen, dann kann man den Hügel bestimmt gut erkennen.

Seiten 200-204:
Die Forscher suchen den Meeresboden zwischen den Inseln La Palma, Teneriffa und La Gomera ab, um Geisternetze und anderen Müll aus den Korallenbänken zu entfernen. Problem ist nur, dass der Meeresboden hier mehrere 1000 Meter tief ist und es sich um ein Meeresgebiet von mehreren 1000 Quadratkilometern handelt, die man nicht innerhalb eines Tages absuchen kann.

Die Forscher aus Teneriffa und La Gomera treffen sich dann regelmäßig in Tazacorte (Villa? Puerto? Wird gar nicht differenziert!). Bestimmt ist Tazacorte die erste Wahl, weil es doch genau auf der abgewandten Inselseite La Palmas liegt.

Irgendwann startet man seine Tauchtour in Puntagorda. Weil es dort an der Steilküste bestimmt so einfach ist, ins Wasser zu kommen.

Seite 284:
>> Eine halbe Stunde später kamen sie auf dem Gipfel des Roque an. Nina näherte sich der Brüstung. Der Ausblick verschlug ihr die Sprache. Die Weite der Bergmassive, an denen in tieferen Lagen Ginsterbüsche wuchsen, diese Giganten aus fernen Zeiten, geformt von Eruptionen und Erosionen, ließen in ihr das Gefühl aufkommen, winzig klein und unbedeutend zu sein. Unterhalb des Gipfels war ein leuchtend weißes Wolkenband zu erkennen.<< (Ende der Beschreibung!)
So beschreibt man den Roque de Los Muchachos bestimmt nicht, wenn man ihn denn irgendwann mal selber gesehen hat. Ich bin überzeugt, dass Frau Levin auch niemals die Wortbedeutung der „Caldera“ durchblickt hat, dass es sich um einen riesigen Kraterkessel handelt. Und der „Roque“ hat und ist kein „Gipfel“, sondern ein Teil des Kraterrandes.

Ich würde solche Fehler ja eigentlich nicht beanstanden. Aber angesichts der hier hinterlegten Rezensionen, die meiner Meinung nach Gefälligkeitsbewertungen sind, kann ich mich nur aufregen.

Wenn wenigstens noch die Story Hand und Fuß gehabt hätte. Aber sie war für mich fürchterlich unambitioniert. Die Personen bleiben durchweg flach und/oder stereotyp: Zerbrechliches, verletztes, sensibles Mäuschen, spanischer Hombre mit Muskeln und olivdunkler Haut, total integrer Forschungsleiter, sportliche Studenten, zwielichtige Homolette… gähn, schnarch, so überraschend wie der 20-Uhr-Gong der Tagesschau.

Die Begegnung mit der Person aus der Vergangenheit – Serena, deren Tagebuch Nina liest – hat man auch schon tausendmal gelesen, und tausendmal spannender oder berührender. Der Autorin gelingt es in keiner Weise, die Sprache oder Kultur von vor 170 Jahren wiederzubeleben; das Tagebuch liest sich einfach wie ein naives Klein-Mädchen-Tagebuch. Da springt bei mir weder Mitgefühl noch eine Art von Magie oder Berührung über.

Insgesamt handelt es sich um sehr dürftige Kitsch-Literatur. Sie wollte vielleicht so schreiben wie Rosamunde Pilcher, doch es gelang ihr nur ein Haufen Chi-Chi-Einhorn-Blümchen-Murks. Hoffentlich findet sich dieses Werk nun nicht automatisch in den Souvenir-Shops La Palmas, nur weil behauptet wird, die Geschichte spiele dort. Nein, tut sie nicht!

Wenn ich noch eine winzigkleine Begründung für den einen Stern finden solle: Das Bild auf dem Cover ist schön.