Nun ist es vorbei! Nun zieht es dahin?
Moment mal, wovon reden wir eigentlich?
Reden wir vom Jahr 2014, dessen Abschluss so plötzlich bevor steht wie die alljährliche Weihnacht … Hektik!
Oder meinen wir Ohrenstolz, den inzwischen ältesten Homo-Podcast in Deutschland?
Über das Dahinscheiden des ersteren wird derzeit auf allen Kanälen lamentiert, wenn z.B. Markus Lanz die Hackfressen 2014 in die ZDF-Kameras hält oder schon seit Mitte November Bilanzen gezogen werden für das noch längst nicht abgeschlossene Kalenderjahr, mit den Bildern Jahres, untermalt von staatstragenden Stimmen … und irgendwie fühlt es sich so ewig an wie der 90. Geburtstag beim Diner for One.
Nein, reden wir doch mal über Ohrenstolz. Haben wir Macher – und die seit Beginn nicht vorhandene Macherinnen – nun den Abgesang Deines schwul-lesbischen Podcastes angestimmt. Zucken wir heute in den letzten Zügen, bevor wenige Bytes später unsere letzten Atemzüge online und wir somit offline gehen?
Nun mal halblang! Machen wir doch keine Tragödie daraus. Blicken wir doch zunächst mal zurück.
Als wir mit Ohrenstolz angefangen haben, war dieser Podcast die Spätgeburt des schwul-lesbischen Radiomagazins „homolaber“. Zwei Jahre lang füllten wir mit homolaber-Beiträgen, die bis dahin meist nur einmal als Radiowellen über den vergänglichen Äther gegangen sind, die ersten Ohrenstolz-Folgen, die dann etwas dauerhafter bleiben sollten. Denn immerhin: Das Netz vergisst nie.
Im Wesentlichen war Ohrenstolz eine Reaktion auf die veränderten Hörgewohnheiten unserer Zeit. Statt sich als schwul-lesbische Familie um das alte Röhrenradio zu versammeln – die Waltons lassen grüßen – strickte sich nun zunehmend jeder selbst sein Hörerlebnis und klöppelte sich aus den Audio-Bausteinen des Internets seine akustische Berieselung – und man hört, wenn man Zeit hat. Homolaber machte dann nach Monaten der Ermüdung im Jahre 2007 mit der Ausgabe Nr. 209 dann den Sender dicht, und in Dortmund gingen damit 15 Jahre schwul-lesbische Radiogeschichte zuende. Übrigens, das muss hier gesagt sein, auch eine Folge der CDU-FDP-Regierung im Land NRW, die den Bürgerfunk fast abgeschafft hat.
Das Neue, das Podcasting, war noch sehr ambitioniert, und so haben wir es nur um wenige Wochen verpasst, der erste schwule Podcast in Deutschland zu werden.
Immerhin waren wir ausdauernder – können wir heute im Jahre 9 in Folge 178 sagen. Während viele Wohnzimmer-Radios – lieblos zusammengestammelte Kassettenrecorder-Produktionen – den Hörer ermüden und verblöden und zum Glück oft schnell im Orkus des Digitalnirvanas verschwinden – haben wir – diesen Anspruch möchte ich an dieser Stelle herausheben – dauerhaft qualitativ hochwertige Podcast-Folgen für Euch gestrickt.
Ist damit nun Schluss? Verreckt nun auch der Internet-Sprössling des schwul-lesbischen Radios an der zunehmenden Entlebung?
Oh nein! Glaubt nicht, dass wir Entlebt seien. Wir mögen schon immer entleibt sein, so wie wir Euch regelmäßig ins Ohr gekrochen sind, nur noch als Aneinanderreihung von Elektronischen Impulsen, die in Audio-Wellen umgewandelt werden. Aber am Ende sind wir noch nicht.
Was heißt schon Ende? Und wäre das Ende eigentlich ein Grund zur Trauer?
Betrachten wir doch einmal das Ende als Transformation, als Übergang in eine neue Form. So wie das Radiomagazin HomoLaber einst sein Ende – und seine Fortsetzung – im Podcast Ohrenstolz gefunden hat, wird auch von Ohrenstolz etwas übrig bleiben.
Zum einen – wie gesagt: Das Netz vergisst nie – werden unsere bisherigen 179 Ohrenstolz-Folgen irgendwie erhalten bleiben, wenn wir zurzeit auch noch nicht wissen wie. Was sind denn heutzutage schon 3,7 Gigabyte? Vielleicht wird ja irgendwann der Dortmunder Arbeitskreis Schwul-lesbische Geschichte unsere Werke ausgraben und Einblick in die heutige Zeit nehmen. Wir sind jedenfalls stolz darauf, ein Teil der Dortmunder und irgendwie sogar der bundesdeutschen Medien- und Homogeschichte zu sein.
Das Leben geht weiter. Und auch Ohrenstolz lebt weiter. Zum Teil in Datenarchiven, auf Festplatten, in irgendeinem Webspace.
Und ich höre schon, wie einst Captain Jean-Luc Picard zum Enterprise-Computer sagen wird: „Computer, liste alles auf, was Du zum Thema Ohrenstolz findest.“ Und der Computer wird sagen: „Ohrenstolz war ein schwul-lesbischer Podcast zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Als Podcast wird eine mehr oder weniger journalistische Informationsform auf digitaler Grundlage … „ Und dann wird sich Jean-Luc Picard mit seiner Tasse Earl Grey Tee – heiß zurücklehnen und sagen: „Computer, spiele mir die Folge von Sternzeit „-308069.8“.
Sind solche Vorstellungen vermessen? Ach was! Ich jedenfalls bin stolz auf uns, auf den Jürgen, auf den Malte, auf Sven & Markus, auf meinen Mann Kay und auf mich. Ich bin stolz auf unsere 179 Folgen Ohrenstolz.
Und wenn man so stolz auf sein Werk zurückblickt, dann darf man doch auch zuversichtlich mal nach vorne blicken. Ist es damit vorbei. Ach was. Solange die Erinnerung lebt, ist es niemals vorbei!